In der Zentrale des Caritasverbandes für die Diözese Eichstätt - dem die Erziehungsberatungsstelle angehört - wurde Trips heute offiziell von Caritasdirektor Alfred Frank, seinem Stellvertreter Andreas Steppberger und Caritaspräses Dompropst Alfred Rottler verabschiedet. Sie führten zudem Seger in sein neues Amt ein. Frank überreichte Trips zum Dank eine moderne Engelsfigur aus Holz. Steppberger übergab Seger zum Einstieg eine Aquarelldarstellung des Flammenkreuzes der Caritas.
Über 37 Jahre engagiert
Der Diplom-Psychologe und approbierte Psychologische Psychotherapeut Michael Trips war über 37 Jahre lang bei der Erziehungsberatungsstelle Nürnberg-Langwasser engagiert und seit 1999 deren Leiter. Er hatte dort zuvor bereits ein längeres Praktikum absolviert. "In all den Jahren haben sich soziale und familiäre Strukturen massiv verändert: weg von verbindlichen Bindungen und starkem Zusammenhalt in Großfamilien hinzu zu einem zunehmenden Wertepluralismus, auch in Erziehungsfragen", hat Trips grundsätzlich beobachtet. "Und es hat immer mehr zum Teil hochstrittige Trennungen und Scheidungen in Familien gegeben." Heute seien Erziehungsberatungsstellen weniger Anlaufstellen für eng umgrenzte spezifische Fragestellungen wie etwa den Umgang mit der Trotzphase oder kindliches Einnässen, Einkoten oder Stottern. "Sie sind vielmehr zuständig für oft vielschichtige und zum Teil langjährig verfahrene und stark belastete Problemsituationen von Menschen auf der Suche nach Lösungen und Auswegen - Stichwort Multi-Problem-Familien", so der Psychologe.
Als einschneidendste Veränderung bezeichnet er die Erfahrung mit der Corona-Pandemie in den letzten eineinhalb Jahren. "Diese hat leider wohl schwerwiegende und jahrelange Auswirkungen für Kinder und Familien mit einem massiven Verlust von zwischenmenschlichen Kontakten und analogen Lebenserfahrungen: vor allem für solche, die aufgrund der Schließung von Schulen und Kitas Bildungsverlierer sind", befürchtet Trips. Stets hat diesem vor allem der Einsatz für Schwächere und Benachteiligte am Herzen gelegen. Hauptmotivation sei für ihn von jeher "die Faszination der Vielfalt menschlichen Erlebens, von individuellen Lebensgeschichten und das Interesse an der Arbeit mit Menschen - Eltern, Familien und Kindern - gewesen sowie, für Verbesserungen eine professionelle Unterstützung anzubieten. "Mein Ziel war dabei stets, Menschen zu helfen, sich selbst zu helfen durch das Entdecken eigener Stärken, Kompetenzen und Handlungsoptionen: also ‚empowerment" statt Bevormundung und Belehrung", bringt Trips seine Philosophie auf den Punkt. Wenn er hierbei auch nur für einige Menschen hilfreich gewesen sei, so der scheidende Leiter, habe sich seine jahrzehntelange Arbeit gelohnt: "und sei es manchmal auch nur mit dem Angebot eines ‚gemeinsamen Durchstehens und Mitgehens‘ in Phasen von Trauer und Verzweiflung".
Kontinuität wahren
Martin Seger, ebenso Diplom-Psychologe und approbierter Psychologischer Psychotherapeut, arbeitet bereits seit 22 Jahren an der Erziehungsberatungsstelle und ist seitdem ihr stellvertretender Leiter. Er kennt die Bedingungen, Herausforderungen und das Netzwerk ebenso gut wie die Problembereiche der hilfesuchenden Menschen. "Kontinuität und Verlässlichkeit hilft in unserer Arbeit, und daher war es mir wichtig, dass diese auch mit dem bisherigen Anspruch weitergeführt wird", beschreibt Seger seine Motivation, nun die Leitung zu übernehmen. "Zudem gibt es ohnehin eine Umbruchsituation, da in relativ kurzer Zeit zwei Fachkräfte neu an der Beratungsstelle sind. Gerade an einer kleinen Stelle wie unserer sind das schon große Veränderungen, bei denen eine stabile und erfahrene Leitung helfen kann." Daher gehe es zuerst darum, die neuen Mitarbeiterinnen gut zu begleiten und in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Die Kontinuität soll bei der fachlichen Arbeit gewahrt bleiben: "Unser Konzept, Familien längerfristig und nachhaltig in schwierigen Zeiten zu helfen und dabei möglichst alltagsnah und praktisch anzusetzen hat sich sehr bewährt. Auch die Arbeit mit außerfamiliären Bezugspersonen im Umfeld hilft, Veränderungen auf mehrere Schultern zu verteilen und zu vertiefen. Als problematisch sieht der künftige Leiter die Entwicklung, "immer mehr Aufgaben an Beratungsstellen zu delegieren". Immer neue Projekte im sozialen Bereich seien zwar vielleicht modern und medientauglich. "Es hilft aber nichts, wenn diese nur kurze Zeit angeboten werden können oder weniger Zeit für die alltägliche Arbeit zur Verfügung steht." Eine weitere Aufgabe bezieht sich auf den zunehmenden Bedarf an therapeutischen Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien. Schon vor der Corona-Pandemie gab es laut Seger sehr lange Wartezeiten für Plätze bei Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Diese Situation habe sich in den letzten Monaten noch verschärft, sodass sich auch viele Familien an Beratungsstellen - wie die der Caritas in Langwasser - wenden. "Wir können hier zwar oft gute Unterstützung bieten, sind aber kein langfristiger und dauerhafter Ersatz für intensivere therapeutische Angebote", stellt der Psychologe klar.
Zum Wohl von jährlich 350 Familien
Die Erziehungsberatungsstelle der Caritas in Nürnberg-Langwasser hat nach eigenen Angaben in den letzten Jahren im Durchschnitt rund 350 Familien betreut: Etwa 260 waren Neuanmeldungen. Pro Familie werden ungefähr 15 Fachleistungsstunden aufgewendet. Über die Hälfte der Familien hat einen Migrationshintergrund. Deren Mitglieder kommen aus über 40 verschiedenen Ländern. Mit 3,2 Fachkraftstellen und einer Sekretärin erfüllt die Erziehungsberatungsstelle Michael Trips zufolge die Mindestanforderungen für eine Förderfähigkeit.