Das sollten Campact Unterzeichnende wissen!
Wieso wird nicht kritisiert, dass die Politik zulässt, dass Versorgungsverträge geschlossen werden mit Anbietern, die Dumpinglöhne zahlen? Die Forderung, hier einen Riegel vorzuschieben ist nicht neu. Das wäre eine Kampagne wert gewesen.
Die Hintergründe des Streits, der sich über Jahrzehnte - seit Beginn der Pflegeversicherung - hinzieht haben vor allem mit der "Marktöffnung" der Altenpflege zu tun. Der "externe Vergleich" blockierte jahrelang die Refinanzierung der Tariflöhne der Caritas. Das fand zugunsten privater Anbieter statt, die dann insolvente Einrichtungen der Wohlfahrtspflege "einkaufen" konnten, um mit Haustarifen die Mitarbeitenden abzuspeisen.
Über Jahre musste die Caritas gegen diese Gesetzesregelung streiten bis im Gesetz stand, dass tariflich vereinbarte Löhne als wirtschaftlich anerkannt werden müssen und nicht nur ein Mittelwert zwischen Dumping- und Caritaslohn refinanziert wird.
Genau dieser Mittelwert wird jedoch angesteuert, wenn die Forderungen der Kampagne zur Umsetzung kommen. Eine bessere Vorlage für die Wiederauflage des externen Vergleichs in neuem Gewand könnte man nicht liefern! Man muss nur auf die Gewichte der Interessen schauen, die diesen Mittelwert anzielen: Pflegeversicherung, private Anbieter, Kommunen, Politik... nicht heute, aber morgen wird sich die Waage wieder in die andere Richtung neigen. Und dann kann wieder eine Kampagne starten - gegen die Caritas, die ihre Einrichtungen nicht mehr refinanzieren kann, sie schließen muss und an private Anbieter verkauft….
Es geht nicht um die Abwerbung von guten Mitarbeitenden durch die Caritas.
Seit langem werben die privaten Anbieter mit hohen Löhnen und Zusatzleistungen Fach- und Führungskräfte aus der Caritas ab, zu Lasten der Entlohnung ihrer Hilfskräfte. Hier zeigt sich die Differenz zwischen den Löhnen der Caritas und denen anderer Anbieter am deutlichsten (siehe Gehaltsvergleich des VKAD) Vor Unterzeichnung sollte man sich über Lohnspreizungen und Personalpolitik in der privaten Pflegebranche informieren!
Zum Thema Wettbewerb:
Nach Argumentation von Campact hätten die Caritas-Dienstgeber keine bessere Gelegenheit gehabt, ihre privaten MitbewerberInnen aus dem Feld zu schlagen. Die Erhöhung der Personalkosten, die immerhin ca. 60-80% der Gesamtkosten einer Einrichtung betragen, hätte das Geschäftsmodell dieser Gruppe erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Aber die Caritas verfolgt kein Wettbewerbsmodell der Monopolisierung und Skalierung der Trägergrößen aus Renditeüberlegungen.
Was das Personal im Wettbewerb angeht:
Pflegekräfte wechseln nur zu einem geringen Teil aus finanziellen Gründen den Arbeitgeber. Der Anteil von Frauen in diesem Berufsfeld ist überdurchschnittlich. Und leider ist es so, das Frauen eine geringere Mobilität aufgezwungen wird, da sie immer noch mehrheitlich eine Beschäftigung im Nahbereich suchen müssen um privaten Sorgeverpflichtungen (Kinder, Großeltern, Nachbarschaft) Rechnung zu tragen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Solidarität der Pflegenden mit den konkret von ihnen gepflegten Personen. Der Personalmarkt in der Pflege ist nicht mit Plattheiten zu erklären.
Ähnliche Gründe sind dafür zu suchen, weshalb der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Pflegekräften so gering ist. Es sollte zu denken geben, wenn eine große Gewerkschaft ("Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will….") mit dem Ausbau flächendeckender Organisation und Streiks in der Altenpflege ihre Ziele nicht durchsetzen kann und dann auf die "Schwestern und Brüder" der katholischen Kirche angewiesen ist.
Die erste Zeile des oben zitierten Arbeiterliedes hieß aber auch: "Mann der Arbeit, aufgewacht!" Heute geht es um Frauen-Power und die hat - Überraschung! - im AVR System der Caritas offenbar einen besseren Weg gefunden, um zu einem gerechten Lohn zu kommen.
Private Pflegeanbieter und - investoren (Rendite garantiert zwischen 4% und 6% für den Endkunden!) sind für solche Kampagnen von Campact dankbar, genauso wie eine Politik, die seit zwei Jahren wissen könnte, dass der allgemeinverbindliche Pflegetarif ein totes Pferd ist. Aber sie hat es gerne geritten ("Man tut was!"), um den Kadaver dann vor den Pflegeeinrichtungen zu entsorgen, die einen guten Tarif bezahlen. Und nicht zuletzt für die VERDI ist es entlastend, den Ärger über schlechte Entlohnung bei der Caritas abladen zu können, wenn man mit eigenen Mitteln nicht zum Erfolg kommt.
Wenn man die Augen davor verschließt, dass die Rahmung der Altenpflege in Deutschland seit mehr als einem Vierteljahrhundert falsch aufgestellt ist, nämlich mit einem Wettbewerbsmodell in einem Bereich, der von seinen Inhalten und den dort pflegenden und gepflegten Personen Gemeinwohlökonomisch (www.ecogood.de) aufgebaut werden müsste, der kann sich in den Einzelfragen, wie hier in einer vermeintlichen Tariffrage, nur verirren.