60 Jahre Wohnungslosenhilfe: Das feiern die Caritas-Wohnheime und Werkstätten Ingolstadt am Freitag, 11. Oktober 2024. Die zu der Einrichtung gehörenden Dienste Caritas-Schreinerei und "Essen auf Rädern" begehen jeweils ihr 50. Jubiläum. Um 11:00 Uhr findet in der Kirche St. Pius in der Richard-Wagner-Straße 26 ein Gottesdienst statt, zu dem alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen sind. Diesen halten Caritaspräses Alfred Rottler und der Pfarrer von St. Pius, Martin Geistbeck. Ab 13:30 Uhr findet für geladene Gäste ein Festakt im Wohnheim St. Alfons in der Telemannstraße 8 statt. Im Rahmen eines geschichtlichen Rückblicks werden Gäste aus der Politik, der Kostenträger und Kooperationspartner der Einrichtung zu Wort kommen. Es werden zudem Besichtigungen der Einrichtung angeboten.
Das Caritas-Wohnheim in der Hugo-Wolf-Straße in den Anfangsjahren. Foto: Caritas-Wohnheime und Werkstätten
Die Wohnungslosenhilfe begann, als die Einrichtung am 4. Mai 1964 als "Wohnheim für alleinstehende heimatlose Ausländer" eröffnet wurde. Der Hintergrund: Im zweiten Weltkrieg waren vom Deutschen Reich Personen aus den eroberten osteuropäischen Gebieten angeworben oder auch verschleppt worden. Sie mussten in der Rüstungsindustrie, in Bergwerken oder der Landwirtschaft arbeiten. Nach dem Krieg konnten sie nicht zurück, weil sie in ihren Herkunftsländern als Verräter eingestuft wurden und schwere Strafen bis hin zum Tode fürchten mussten. Mehrere kamen nicht mehr mit ihrem Leben zurecht - hauptsächlich aufgrund von psychischen Erkrankungen und Alkoholproblemen. Diese heimatlosen Ausländer lebten vorerst in Lagern. In Ingolstadt kümmerte sich Caritas-Betreuer Walter Lukas um sie. Schließlich wurden mit Unterstützung der Vereinten Nationen Heime errichtet. Zu diesen gehörte das Wohnheim für alleinstehende heimatlose Ausländer. Träger wurde der Diözesan-Caritasverband Eichstätt, erster Leiter Walter Lukas.
1974 Schreinerei als erste Werkstatt errichtet
Bereits 1965 nahm die Einrichtung aber auch nichtsesshafte und strafentlassene Menschen auf, denn die heimatlosen Ausländer zogen weg oder starben. Bereits 1970 gab es über 20 Gräber für diese auf dem Westfriedhof. Folglich wurde der Name der Einrichtung 1968 in "Eingliederungsheim" geändert. 1974 wurde mit der Schreinerei die erste Werkstatt errichtet, ein Jahr später folgten die Malerei und Schlosserei, 1980 kam die Kfz-Werkstatt hinzu. 1985 begannen erste Qualifizierungs- und Beschäftigungsinitiativen in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt. Laut Anton Frank, der die Einrichtung ab 1971 über 33 Jahre lang leitete, trug die Arbeit in den Werkstätten dazu bei, "dass sich unser anfangs schlechter Ruf verbesserte. Da sahen die Nachbarn: Aha, die Leute tun was", erinnert sich der frühere Leiter.
Seit Mitte der Siebzigerjahre wird Menschen mit unterschiedlichsten gravierenden sozialen Problemen neben stationärer auch teilstationäre Hilfe zur Selbsthilfe tagsüber in Beschäftigungsbetrieben angeboten. Mit der weiterentwickelten sozialen Zielrichtung änderte sich 1988 noch einmal der Einrichtungsname: in die heutigen "Caritas-Wohnheime und Werkstätten". Michael Rinnagl, Leiter seit dem Jahr 2005, erläutert den Wandel an den Hilfe suchenden Menschen: "Der Klient ist nicht mehr der klassische Obdachlose, doch er hat grundsätzlich dieselben Problemlagen wie früher: Er ist vorübergehend oder längerfristig nicht in der Lage, ein eigenständiges Leben zu führen und aufgrund von Wohnungslosigkeit, Strafentlassung, Suchterkrankung, psychischer Erkrankung oder Langzeitarbeitslosigkeit auf unsere Hilfe angewiesen." Für das Hilfeangebot bedeute dies, dass der Fokus heute nicht mehr nur wie früher auf sozialpädagogischer Betreuung und Wohnen liege. Vielmehr ermöglichen auch tagesstrukturierende Beschäftigungs- und Arbeitstherapieangebote den Betroffenen sinnstiftende Arbeit, "damit die Menschen Wertschätzung, Zugehörigkeit, Sicherheit und Selbstbestimmung erfahren". Dazu erhielten diese mit der Zeit in immer mehr Feldern Qualifizierungs- und Beschäftigungsgelegenheiten: 1990 wurde der Arbeitsbereich "Umwelt, Garten, Forst" gegründet, 1993 der Gebrauchtwarenmarkt mit Reyclinghof in der Bruhnstraße eröffnet - der im Jahr 2000 ins Gewerbegebiet Gaimersheim verlegt wurde.
50 Jahre Essen auf Rädern
In den Caritas-Wohnheimen und Werkstätten werden Menschen mit vielfältigen Problemen gefördert. Robert Leicht (links) kann so nach schweren Schicksalsschlägen wieder neuen Lebensmut schöpfen. Foto: Caritas/Peter Esser
1995 übernahm die Einrichtung den Dienst "Essen auf Rädern". Zuvor hatte diesen seit 1974 - also vor 50 Jahren - die Caritas-Sozialstation Ingolstadt-Nord betrieben. Der damalige Ingolstädter Caritas-Dienststellenleiter Josef Hollacher hatte dafür die Caritas-Verbandsleitung von dem Vorhaben überzeugt. Möglich war dieses geworden, weil die Anfang der Siebzigerjahre gegründete "Stiftung Dr. Reissmüller" das Essen auf Rädern unterstützte. Heute fahren Mitarbeiterinnen vielfältige Gerichte aus, die in der Caritas-Großküche im Haus St. Alfons in der Telemannstraße gekocht werden. In diesem Haus selbst wurde kurz zuvor 1993 das ehemalige Redemptoristen-Kloster in ein weiteres Wohnheim umgebaut. Seit dem 2001 ist "Prodie", eine Tochter der Caritas-Wohnheime und Werkstätten für "Produkte und Dienstleistungen", als Beschäftigungsgesellschaft für langzeitarbeitslose Menschen tätig: vor allem durch Dienste bei Wohnungsauflösungen. 2005 erhielten erstmals zwölf Jugendliche öffentlich geförderte Ausbildungsplätze in den Beschäftigungsbetrieben, ferner sechs Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Suchterkrankungen vom Bezirk Oberbayern finanzierte Zuverdienstarbeitsplätze. In den Jahren 2006 bis 2008 wurden eine Recyclingwerkstatt, ein Kleider- sowie Büchermarkt und eine Fahrrad- und Kreativwerkstatt ins Leben gerufen.
Im Jahr 2018 startete das "upcycling"-Projekt "Einzigware". Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind vor allem Menschen in besonders schwierigen Lebenslagen, zum Beispiel psychisch kranke und langzeitarbeitslose Personen. "Es kommt nicht auf Leistung an, sondern darauf, dass es den Menschen Spaß macht und, dass wir etwas wiederverwerten", so Marco Kurth, Leiter der Caritas-Schreinerei.