Caritastag wird untersagt!
Die katholische Kirche hatte sich im Juli 1933 durch den Abschluss des Reichskonkordats zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl vermeintliche Freiheiten sichern können. Doch wie eine Momentaufnahme aus Lenting vom Herbst 1933 zeigt, wurde die caritative Arbeit von Pfarrern, Seelsorgern und Wohlfahrtsverbänden schon sehr früh erheblich behindert.
Lenting, Herbst 1933
Wie in jedem Jahr wollte Pfarrer Josef Guttenberger am 8. Oktober 1933 in Lenting ein "Caritasfest" veranstalten, um Einrichtungen wie den lokalen Kindergarten und die ambulante Krankenpflege zu unterstützen. Der Erlös solle dem "Gemeinwohl" dienen, "nachdem die ärmeren Familien während des ganzen Jahres keinerlei Beiträge leisten, aber die Vorteile dennoch geniessen sollen", hieß es in seinem Antrag an das Bezirksamt (Guttenberger, Lenting, 01.10.1933). Die Veranstaltung stand unter der Leitung von Ordensschwestern und die Schule plante eine Theateraufführung, die bereits durch die Schulaufsicht genehmigt worden war.
Zwei Tage vor dem Wohltätigkeitsfest, am 6. Oktober 1933, erhielt Pfarrer Guttenberger vom Bezirksamt in Ingolstadt die knappe Mitteilung: "Die Genehmigung kann nicht erteilt werden." Anbei waren verschiedene Dokumente, u.a. des Staatsministeriums des Inneren in München vom 19. September 1933, die das Verbot des Bezirksamts bestätigen sollten.
Aus der internen Anweisung des Staatsministeriums des Inneren wird deutlich, dass der Einfluss der katholischen Kirche massiv zurückgedrängt werden sollte:
"Infolge der Ratifizierung des Reichskonkordats ist die Anschauung verbreitet worden, dass die katholischen Organisationen ihre Tätigkeit in früherem Umfange voll und ganz wieder aufnehmen könnten. Es wurden deshalb auch verschiedentliche Wiederversammlungen, Ausmärsche, Sportliche Übungen usw. geduldet und sogar ausdrücklich genehmigt. Dies ist durchaus unzulässig. […]
Soweit es sich daher nicht um rein kirchliche Veranstaltungen handelt […] bleibt jedwede Betätigung katholischer Organisationen (einschließlich der katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine) wie öffentliche und geschlossene Versammlungen, Theateraufführungen, Ausflüge, sportliche Veranstaltungen, Geländeübungen, desgleichen Neugründungen von Vereine usw. nach wie vor verboten.
Zugelassen werden können lediglich die unbedingt notwendigen Proben von Kirchenchören, sowie in mässigstem Umfange die Vorstandssitzungen von Vinzenzvereinen zur Erledigung von Unterstützungsgesuchen."
(Staatsministerium des Inneren, Der Politische Polizeikommandeur Bayerns VI/4., München, 19.9.1933)
Reaktion in Lenting
Pfarrer Josef Guttenberger fügte sich zwar dem Verbot, einen Caritastag abzuhalten, verkniff sich aber in seiner Antwort den Hinweis nicht, "dass der verfolgte Zweck der Veranstaltung ausschliesslich caritativ ist und die Anstalt wie seit der Gründung so auch in Zukunft nur dem Gemeinwohl dienen will." (Guttenberger, Lenting, 7.10.1933)
Gleichzeitig äußerte Guttenberger in einem Schreiben an den Deutschen Caritasverband seine Bedenken gegenüber den Nationalsozialisten einerseits und der abwartenden Haltung der katholischen Kirche andererseits. "Wir möchten so gerne Ihren Optimismus und den Sr. Exzellenz, des Hochwürdigsten Herrn Erzbischofs Dr. Gröber, teilen, aber es wird uns ja so verzweifelt schwer gemacht." (Guttenberger, Lenting, 8.10.1933).
Caritasverband Eichstätt
Auch der Eichstätter Caritasdirektor Leonhard Rubenbauer, der Guttenbergers Unterlagen an Freiburg weiterleitete, schloss sich diesem Urteil an. Außerdem formulierte er gemeinsam mit dem Caritasverband für die Diözese Mainz am 17. Oktober 1933 eine Stellungnahme an die Berliner Regierung. Darin wiesen die beiden mehrfach auf die "volle" Gleichberechtigung der vier Reichsspitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und die "Freiheit und Selbständigkeit der kirchlichen Caritasarbeit" hin.
"Es wäre daher eine offensichtliche Verletzung des Reichskonkordates, wenn einem Caritasverband die freie Ausübung seiner satzungsgemässen Tätigkeit nicht ermöglicht oder die freie Gewinnung von Mitgliedern untersagt würde. Da es sich bei dem Reichskonkordat um einen offiziellen Staatsvertrag des Deutschen Reiches handelt, müsste ein solches Vorgehen zu sehr schwerwiegenden Konsequenzen führen" (Schreiben, Mainz und Eichstätt, 17.10.1933).
Ein halbes Jahr später, im März 1934, wurde Caritasdirektor Rubenbauer zum Stadtpfarrer von Greding ernannt. Ob dies mit seiner kritischen Haltung zum Nationalsozialismus zu tun hat, ist aus der derzeitigen Quellenlage nicht zu klären. Tatsächlich aber scheint er den persönlichen Wunsch gehabt zu haben, die Diözese Eichstätt weiterhin im Zentralrat des Deutschen Caritasverbandes zu vertreten. Satzungsgemäß wäre dies nicht zulässig, lautete die Antwort aus Freiburg, aber der Bischof könnte Rubenbauer als Stellvertreter benennen, wenn der Vorsitzende und der Caritasdirektor verhindert wären.
Weitere Repressalien
Noch hofften einige katholischen Seelsorger, durch Kooperation in ihrem Wirken nicht behindert zu werden. Doch der Druck auf die Kirche und die caritativen Einrichtungen wurde zunehmend stärker. Im November 1933 warnte Generalvikar Dr. Kiefer auf einem dem Pastoralblatt beigelegten Blatt:
"Wir sehen uns veranlasst, den Hochw. Herren neuerdings einzuschärfen, daß sie bei allen seelsorglichen Amtshandlungen jegliche Kritik der neuen Verhältnisse, sei es auch nur durch Vergleich oder Anspielung, unterlassen und auch in Vereinen wie im Privatverkehr größte Zurückhaltung sich auflegen müssen. Ohne bezirksamtliche Genehmigung dürfen auch Prozessionen und Wallfahrten nicht abgehalten werden. Dr. Kiefer, Generalvikar."