In über 30 Jahre Caritas-Sammeln habe ich viel Negatives und sehr viel Positives erlebt und erfahren. Über Negatives - da muss man hinwegschauen. Es gab auch welche, die von vornherein schon gesagt haben: "Da geb ich nichts her". Da gehe ich auch nicht mehr hin. Die Leute muss man halt nehmen, wie sie sind. Bei den meisten werde ich freundlich erwartet. Mit meiner langen Erfahrung weiß man schon, wie man empfangen wird. An ein Erlebnis denke ich oft zurück: Vor zirka zwei Jahren kam ich zu einer Frau (90 Jahre) und sagte zu ihr: "Jetzt bekommen wir wieder einen neuen Pfarrer, da möchte ich das Caritas-Sammeln aufgeben!" Da sagte sie zu mir: "Das darfst du dem Pfarrer nicht antun, da muss er sich ja wieder nach einem anderen umschauen. Es ist nicht so einfach, gleich wieder einen zu finden." Jetzt mach ich halt wieder so weiter, es ist ja auch schön, wenn man zu den Leuten kommt. Da gibt’s auch manchmal was zu lachen oder man erfährt was Neues. Wenn es die Gesundheit erlaubt, gehe ich noch einige Jahre sammeln. Sammlerin (71 Jahre)
Ich hatte schwer aufgeladen. Ratternd zog ich die voll beladene Karre über das Kopfsteinpflaster der Einrichtung. Darauf lagen ineinander gestapelt leere Kartons. Da kam mir eine behinderte Frau entgegen. Eine Faust vor den Mund gepresst stieß sie aufgeregte Töne aus. Ich wurde unsicher und verlangsamte meinen Schritt. Ich kannte sie: Claudia - sie hatte in ihrer Wohngruppe schon öfter mal für Ärger gesorgt. Wie komm ich nur an ihr vorbei, dachte ich, denn ich bin keine Pädagogin und hatte es eilig. Einfach ruhig sprechen und erzählen, was du tust, das hilft meistens, wusste ich. "Hallo Claudia, ich muss die leeren Schachteln entsorgen. Gell, ich mach vielleicht einen Krach mit meinem Karren!" Ihr aufgeregtes unverständliches Gebrabbel wurde noch lauter und sie blieb mit etwas Abstand vor mir stehen. Vorsichtig versuchte ich ihr auszuweichen, doch sie versperrte den Weg. "Ich muss das zurück in die Pforte bringen", erklärte ich. Sie stieß weiterhin aufgeregte Laute aus und machte fahrige, ungelenke Bewegungen dazu. Sie tänzelte nervös hin und her und ich stand ihr gegenüber. Normal weiterreden, einfach normal weiterreden. Doch meine Nervosität wuchs, denn sie konnte auch handgreiflich werden, das wusste ich. Dann plötzlich verstand ich unter dem Gebrabbel ein Wort: "na..na..na...Karton". Dann erst wurde mir bewusst, dass ihre fahrigen Bewegungen ein Deuten meinten. Sie zeigte auf den Weg, von dem ich herkam. Da lag er, der Karton! Ich hatte ihn verloren. Sie hatte mich nur darauf aufmerksam machen wollen, dass ein Karton vom wackeligen Karren gerutscht war und auf dem Weg lag. "Vielen Dank, Claudia", sagte ich ehrlich erleichtert, überrascht und beschämt. Ich hatte mir so manches ausgerechnet, aber ganz bestimmt nicht, dass die geistig behinderte Frau eine echte Kommunikation mit mir beginnen wollte und auch noch was Wichtiges zu sagen hatte. (Mein Caritas-Moment im Jahr 2013)
Es gibt Leute, die warten schon auf mein Kommen, andere fühlen sich damit überrumpelt. Andere geben notgedrungen eine Spende. Viele sind auch froh, wenn man kommt, um Neuigkeiten auszutauschen. Die meisten Spender kennen mich seit meiner Kindheit. Mich freut es, wenn ich noch viele aus meiner Kindheit antreffe. Es sind ja dann schon alte Leute, und ich würde mich freuen, wenn ich noch lange bei ihnen sammeln kann. Sammlerin
Beim Caritas-Sammeln erlebt ma allerhand, a kloane Begebenheit gib i heit bekannt. I bin zu am stattlichen Anwesen kumma, vorm Haus hot grad a junger Mo sei neis Auto poliert, und i hob denkt, daß der bestimmt was spendiert. I hob mei Sprücherl aufgsagt, er moant: "Mi brauchst gar net frogn, weil i nia koa Geld ned hom kon." J hob gsagt: "Des glaub i scho, daß Sie nix mehr übrig hom, denn so a scheens Auto kost an haufa Geld, und daß i mi hoit nächstes Jahr wieder möid." Da sagt er: "Ja, schau i vielleicht wia a Hungerleider aus?" Langt in sei Hosentaschen und ziagt an 5er raus. I hob scheinheilig gfragt, ob mi was rausgem soll, er hot gmoant, daß i mi liaber schleicher soi. Aber so grantig wia er mia dua hot, is er gar net gwen, seine Augn hom glacht, des hob i ganz deitlich gseng! Es kann natürlich a pasiern, oaner tuat dir nix spendiern … Du druckst auf’n Klingenknopf, es schaut jemand zum Fenster raus … du drogst die Sprücherl vor und dann stehst und stehst und wartst, ober die Tür geht net auf. Dann host beim nächsten Haus a Glück, des macht dein Frust wieder wett, do fragt mi die ältere, einsame Dame, ob i mit ihr a Haferl Tee trinken mecht und ob i a bisserl Zeit für sie hätt. "Ja, freilich sag i, des mach i gern." Und die liabe Frau kann a bissl ihre Sorgen los wern. Mir darn lustige Gschichten erzählen, dann a bissl über unsere Politiker lästern, oder über die Predigt von gestern (nix für unguat). Dann dua i mei Spende in Empfang nemma, die guate Frau sagt: "I gfrei mi scho, wenns wieder kemma." Sammlerin (81 Jahre) seit 30 Jahren Caritas-Sammlerin