Basilius der Große
Dem Hungrigen gehört das Brot, das du zurückhältst,
dem Nackten das Kleidungsstück, das du im Schrank verwahrt hast,
dem Barfüßigen der Schuh, der bei dir verfault,
dem Bedürftigen das Silber, das du vergraben hast.
Du tust also vielen Unrecht, denen du hättest helfen können.
Basilius der Große
Mit brutaler Eindringlichkeit ergreifen die Worte Basilius‘ des Großen. Nur kurzzeitig lassen wir uns als moderne Leser von der Aussage verfaulender Schuhe irritieren. Diese legen zwar unzweifelhaft offen, dass der Text aus längst vergangenen Jahrhunderten stammt und uns deshalb vielleicht gar nichts angeht - doch der Präsenz dieser Forderungen können wir uns kaum entziehen. Dafür hören wir zu häufig, dass unser Wohlstand auf der Not anderer begründet ist.
Der Mann, der eine so scharfzüngige Wortwahl hat, ist Basilius der Große (*um 330, + 1. Januar 379). Er lebte im vierten Jahrhundert und ist heute noch als großer Kirchenlehrer bekannt. Basilius stammte aus einer wohlhabenden christlichen Familie und entschied sich erst nach einem ausgedehnten Studium für ein asketisches Mönchsleben. In der Einsamkeit formulierte er strenge Mönchsregeln und gilt nicht zuletzt deswegen als Vater des Mönchtums in der Ostkirche.
Doch Basilius war "zu sehr ein Mann der Tat, um abseits bleiben zu können", schreibt Adalbert Hamman in der Heiligenbiographie. Im Jahr 364 kehrte Basilius in seine Heimatstadt Cäsarea zurück und wurde 370 zum Bischof ernannt. Mit großer Vehemenz und Deutlichkeit trat er für soziale Gerechtigkeit ein. In seiner Auffassung waren die Reichen nur Verwalter der Güter, die sie von Gott übertragen bekommen haben. Sie hätten einen Sendungsauftrag, die Bedürfnisse der Armen wie ihre eigenen zu befriedigen.
Deshalb setzte er die christliche Forderung, dass alle Menschen eine Solidargemeinschaft bilden sollen, konsequent in die Realität um. Er gründete eine neue Stadt vor den Toren Cäsareas mit dem Namen Basileia und manifestierte in ihr dauerhafte institutionelle Armenfürsorge mit Fremdenherberge, Hospital, Leprosenhaus, Armenhaus, Kirche und Kloster. Dieses Stadtpatrozinium war etwas Neues, denn an die Stelle der Finanzierung von öffentlichen Bauten wie Thermen oder Wasserleitungen trat die Armenhilfe.
Härter und unmissverständlicher als manche Sozialkritiker späterer Zeit schleuderte Basilius den Mächtigen ihre Verantwortung für das Sozialwesen entgegen: "Du machst Geld aus Tränen; du erwürgst den Nackten und schlägst den Hungernden". In den Legenden über ihn wird diese Entschiedenheit mit dem Bild der "Flammensäule" oder "feurigen Zunge" übersetzt.
Literatur:
Adalbert Hamman: Basileios der Große. In: Peter Manns (Hg.): Die Heiligen. Alle Biographien zum Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet. Mainz 1975, S. 139-142.
Andreas Rode: Das Jahresbuch der Heiligen, München 2008, S. 19-22.
Otto Gerhard Oexle: Zwischen Armut und Arbeit. Epochen der Armenfürsorge im europäischen Westen. In: Christoph Stiegemann (Hg.): Caritas. Nächstenliebe von den frühen Christen bis zur Gegenwart; Katalog zur Ausstellung im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn [23. Juli bis 13. Dezember 2015]. Petersberg 2005, S. 52-73.