Ignatia Jorth und die Vinzentinerinnen in Eichstätt
Mutter Ignatia reformiert die Krankenpflege in Bayern
Als Schwester Ignatia Jorth aus dem Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern zu Straßburg am 10. März 1832 im Allgemeinen Krankenhaus in München eintraf, um dort die Krankenpflege zu übernehmen und die Kongregation der Barmherzigen Schwestern in Bayern aufzubauen, betrat eine Frau die Landeshauptstadt, die für den Aufbau der professionellen Krankenpflege und die damit verbundene Gründung eines neuen Frauenordens in Bayern die besten Voraussetzungen mit sich brachte.
Werdegang
Schwester Ignatia war am 1. August 1780 in Schlettstadt im Elsass in einer angesehenen Schifferfamilie geboren, trat in die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern im Bistum Straßburg ein, wo sie am 13. November 1809 ihre Profess ablegte. Bereits zwei Jahre später wurde sie Oberin im Spital in Hagenau/Elsass und 1823 Oberin im Bürgerspital in Straßburg. Ignatia Jorth war demnach erfahren in der praktischen Ausübung der Krankenpflege, hatte als Krankenhausoberin Führungskompetenz und Organisationsstärke bewiesen, trug als Assistentin ihrer Generaloberin Verantwortung in der Leitung des Ordens und besaß darüber hinaus als Novizenmeisterin pädagogisches Geschick.
Wirkungsstätte in München
Warum aber führte der Weg Schwester Ignatia aus ihrer elsässischen Heimat nach München? Seit 1813 bestand hier ein großes "Allgemeines Krankenhaus" mit 600 Betten, das allen Bürgern unabhängig von ihrer sozialen Stellung und Religionszugehörigkeit zur Verfügung stehen sollte. In medizinischer, baulicher und technischer Hinsicht war dieses Krankenhaus eines der modernsten in Europa. Ganz im Gegensatz dazu stand die Krankenpflege: Das Pflegepersonal war ohne jegliche Ausbildung, die hygienischen Zustände miserabel, die Zuwendung zu den Kranken erbärmlich. Der Klinikleiter kannte die berufliche Kompetenz der elsässischen Barmherzigen Schwestern und wollte sie gerne in seinem Haus sehen. Dazu bedurfte es jedoch nach der Säkularisation neuer politscher Rahmenbedingungen für Ordensniederlassungen, die erst unter König Ludwig I. geschaffen wurden.
Am 10. Januar 1832 wurde schließlich zwischen der Straßburger Generaloberin der Barmherzigen Schwestern und dem Münchner Stadtmagistrat ein Vertrag geschlossen, der die Entsendung von zwei Schwestern nach München vorsah. Bereits am 10. März traf Schwester Ignatia Jorth mit einer Mitschwester in München ein.
Tätige Nächstenliebe
Die grundlegende Motivation für das Leben der Barmherzigen Schwestern ist die tätige christliche Liebe. In der historischen Ordensregel heißt es dazu: "Die Schwestern sollen ihre Hauptpflicht, die Armen nämlich und Kranken mit möglichster Liebe, Sanftmut, Mitleiden und Geduld zu bedienen, niemals außer Acht lassen".
In Berichten über ihr Leben wird diese Haltung bei Schwester Ignatia immer wieder hervorgehoben. Zugleich wird aber auch von ihrer gewissenhaften, pünktlichen und eifrigen Erfüllung der unglaublich vielen Berufspflichten gesprochen, die ihr auferlegt waren. Damit sind die fachliche Kompetenz und die umfangreiche Organisation des Pflegemanagements gemeint, die sich auf die Krankenpflege in allen Abteilungen, die Aufsicht über alle im Hause befindlichen Personen mit Ausnahme des ärztlichen Personals, sowie die Verantwortung für Küche, Vorratsräume und Wäscherei erstreckten.
Intelligent, pflichtbewusst und versiert
Ihrer Pflicht kam Schwester Ignatia überaus versiert nach. So etwa, wenn es um die Sauberkeit ging. Für die Hygiene der Patienten wurden auf ihre Veranlassung hin weitere Bäder und Duschen eingebaut sowie die Installation von Warmwasserkesseln erweitert und modernisiert. Für die bessere Sauberkeit der Wäsche wurde ein neues Waschhaus errichtet. Dadurch und durch die Reinlichkeit in den Krankensälen erreichte sie in kürzester Zeit, dass das Krankenhaus wanzenfrei wurde.
Zum Schutz vor Infektionen im Krankenhaus wurden die Patienten mit ansteckenden Krankheiten von jenen der medizinischen und chirurgischen Abteilung räumlich getrennt.
Fachkompetenz
Das Wohlbefinden der Kranken förderte Schwester Ignatia auch noch auf andere Weise. So ließ sie z.B. mehr Geschirr anschaffen und erreichte dadurch, dass alle Säle gleichzeitig mit warmem Essen versorgt werden konnten. Auch den Besucherverkehr regelte sie neu. Stellte es doch für die Patienten eine große Belastung da, dass oftmals bis zu 500 Besucher täglich ins Krankenhaus kamen, die meisten aus Neugier, Schaulust und zum Zeitvertreib. Eine neue strenge Besucherregelung gestattete nur noch Verwandten den Zutritt und zwar zu festgelegten Zeiten nach schriftlicher Erlaubnis.
Fachkompetenz zeigte Schwester Ignatia auch in der Wirtschaftsführung. Höchst erfreut stellte die Krankenhauskommission im Jahr 1833 fest, dass die Schwestern für weniger Geld einen höheren Standard als das früher eingesetzte weltliche Personal boten: Schwester Ignatia hatte einige Schweine und eine Kuh gekauft, um Fleisch und Milch im Krankenhaus zu verwenden.
Führungsstärke
Zu all dem zeichnete sich Schwester Ignatia auch durch gewissenhafte Führungsstärke aus. Diese bewies sie etwa gegenüber staatlichen Institutionen, als es um die Genehmigung der Statuten und damit um die Anerkennung als einer eigenen Rechtspersönlichkeit der Gemeinschaft ging. Für die stets wachsende Schwesterngemeinschaft, die im "Allgemeinen Krankenhaus" lediglich in einigen Zimmern wohnte, konnte dann in den Jahren 1837 bis 1839 ein eigenes Mutterhaus direkt am Krankenhaus errichtet werden, wo für die geistliche und berufliche Ausbildung der Schwestern gesorgt wurde.
Gründung von Niederlassungen
Der Ruf der Barmherzigen Schwestern, die sich neben der Krankenpflege auch der Betreuung alter Menschen und kleiner Kinder annahmen, verbreite sich rasch in Bayern. Viele Stadtmagistrate wünschten Schwestern für ihre sozialen Einrichtungen. So sandte Schwester Ignatia ihre Mitschwestern auch in das Bistum Eichstätt, nämlich in die Krankenhäuser von Neumarkt/Opf., Eichstätt und Ingolstadt.
Als Schwester Ignatia Jorth nach dreizehnjährigem Wirken am 25. Januar 1845 verstarb, zählte die Gemeinschaft 150 Schwestern sowie 27 Kandidatinnen. In Bayern bestanden 17 Filialen. Zudem war Mutter Ignatia Mitbegründerin der Barmherzigen Schwestern in Innsbruck, Graz und Salzburg.
Mit entschlossenem Charakter, klarer Urteilskraft und Herzensgüte ausgestattet, hatte sie die Kongregation der Barmherzigen Schwestern in Bayern etabliert, deren erste Generaloberin sie war, und das Krankenpflegewesen in Süddeutschland neu organisiert.
Literaturhinweise:
C.E. Scherer: Schwester Ignatia Jorth, 1932;
H. Zellinger-Kratzl: 175 Jahre Barmherzige Schwestern in Bayern, 2007.
Ein Beitrag von Dr. Susanne Kaup