Ältester Sozialverein der Stadt
Den Anfang bildete ein karrierebewusster französischer Kleriker, Vinzenz von Paul (1581-1660), der in der Begegnung mit der Not der Ärmsten und aus der Begegnung mit der Botschaft Jesu seine persönliche Wandlung erlebte und zum leidenschaftlichen Anwalt der Armen, Gefangenen und Kranken wurde. Das machte ihn zum Repräsentanten und Heiligen einer aus ihren biblischen Wurzeln lebenden diakonisch geprägten Kirche. In der Tradition des heiligen Vinzenz von Paul (1581-1660) entstand in Straßburg 1760 die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul, die vor allem in Krankenhäusern den Pflegedienst übernahmen. Von König Ludwig I. (1786-1868) gefördert gründete der Orden 1832 in München ein Mutterhaus. 1841 übernahmen die Vinzentinerinnen das Spital in Eichstätt und betreuten bis 1994 das Krankenhaus.
Gründung des Vinzenzvereins
Ebenfalls nach dem Vorbild des Hl. Vinzenz entstanden 1833 in Paris die "Vinzenzkonferenzen", die sich um Arme, Kranke und arme Familien bemühten, und sich rasch ausbreiteten. 1845 wurde in München die erste Vinzenzkonferenz gegründet, deren Förderer Karl Rinecker war. Als dieser Pfarrer in Reichenhall wurde, erlebte er dort das segensreiche Wirken eines Vinzenzvereins für die ambulante Hauskrankenpflege und war von der Idee begeistert. Diese Begeisterung gab er an seinen Vetter Franz Leopold Freiherr von Leonrod (1867 bis 1905 Bischof von Eichstätt) weiter, der Kaplan bei ihm war. Als dieser Domprediger in Eichstätt wurde, gründete er am 19. Juni 1857 den Eichstätter Vinzenzverein.
Große Not in Eichstätt
Damit begann eine segensreiche diakonische Tätigkeit bis heute. Die Not in Eichstätt war nach dem Ende des Hochstifts und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Niedergang groß, viele hatten nicht das Nötigste zum Leben. So wurden zu Hauptbetätigungsfeldern des Vinzenzvereins der Hausbesuch von Armen und von armen Familien und die ambulante Hauskrankenpflege. Dazu wurde am 1. November 1885 die erste Niederbronner Schwester angestellt, eine Tradition, die bis 2017 bestand. Eine Blütezeit des Vinzenzvereins waren die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, als in Eichstätt große Not herrschte. Damals waren in der Stadt etwa 500 Personen auf caritative Hilfe angewiesen. So wurden z.B. 1924/25 329 Kranke gepflegt, 5.335 Dienstleistungen getätigt und 15.198 Pfund Brot verteilt. Dies war nur möglich, weil dem Verein zahlreiche freiwillige Helferinnen und Helfer, sog. Vinzenzbrüder und Elisabethschwestern zur Seite standen, die sich regelmäßig trafen und die Dienstleistungen organisierten.
Aktuelle Tätigkeitsfelder des Vereins
Nach dem 2. Weltkrieg verbesserten sich mit Hilfe der Krankenversicherung die fachkundige Pflege im Krankenhaus sowie die staatliche Gesundheitsfürsorge. Seither haben sich vier Tätigkeitsfelder für den Vinzenzverein herausgebildet: ambulante Krankenpflege, offene Seniorenarbeit, ökumenische Nachbarschaftshilfe mit dem Besuchsdienst und Seniorenbildung.
- In der ambulanten Krankenpflege kooperiert der Vinzenzverein seit Jahren sehr gut mit der Caritas-Sozialstation. Dadurch können Dienste finanziert werden, die nicht durch Pflege- und Krankenversicherung abgedeckt sind, wie z.B. längeres Bleiben und Beistehen der Angehörigen im Todesfall, hauswirtschaftliche Dienste für Familien in Not oder schnelle und unbürokratische Vermittlung von Pflegehilfsgeräten.
- Die offene Seniorenarbeit gewinnt immer mehr an Bedeutung und Zuspruch. In der Seniorenbegegnungsstätte Caritas-Pirckheimer-Haus in der Schlaggasse 6/8, die der Verein seit 1996 unterhält, bietet er Beratung, Bildung durch Vorträge zu einem breiten Themenspektrum und Begegnung und Feiern für die ältere Generation an. Außerdem finanziert der Verein mit Agnes Gabel eine eigene hauptamtliche Kraft, die von einem Team Ehrenamtlicher unterstützt wird. Dieses Angebot wird wöchentlich von ca. 40 bis 50 Teilnehmern sehr gut angenommen.
- Weiter ist dem Vinzenzverein die ökumenische Nachbarschaftshilfe mit Besuchsdiensten im Seniorenheim angeschlossen. Hier sorgt Renate Schatz mit ihrem Team dafür, dass Alte, Kranke und Einsame, die einfach auf einen Menschen warten, Ansprache und Hilfe finden und dass auf akute Notsituationen unbürokratisch reagiert werden kann.
- Als viertes Tätigkeitsfeld betreut Christa Schaffer die Bildungsarbeit zu gesundheits- und seniorenspezifischen Themen.
Wie der Name sagt, wird der Verein von allen Pfarreien in Eichstätt im ökumenischen Geist getragen. Seit 1989 liegt der Vorsitz in der Hand eines Laien. Die Pfarrer der Stadt gehören automatisch zum Vorstand. In den achtziger Jahren hatte der Vinzenzverein ca. 1.400 Mitglieder, heute sind es knapp 700. Nächstenliebe und diakonischer Dienst gehören zum Wesen des Christseins und des Gemeindelebens. Dies muss wieder verstärkt ins Bewusstsein! Deshalb braucht der Eichstätter Vinzenzverein immer wieder neue Mitglieder, die sich ehrenamtlich der verschiedenen Tätigkeitsfelder des Vereins annehmen. Und ein Jahresbeitrag von 15 Euro ist durchaus erschwinglich.