Not lindern mit Nahrungsmitteln, Kleidern und Brennmaterial
"Eine gemilderte Form von Christenverfolgung" nannte Erich Schnydrig (1912-1978), Ordenspriester und langjähriger Referent für "Werbung und Publizistik" im Deutschen Caritasverband, in seiner unverkennbar saloppen Art die Caritassammlungen. Seit 2000 Jahren seien sie und die "dazugehörige arg verschlissene Bettelpredigt" von der Caritasarbeit nicht wegzudenken, sagt er. Tatsächlich bilden die Sammlungen seit Jahrhunderten das Rückgrat der karitativen Hilfstätigkeit, denn bis zur Sozialgesetzgebung der 1960er Jahre waren Spenden die Haupteinnahmequelle karitativer Einrichtungen. Obwohl heute die vielfältigen Angebote der freien Wohlfahrtspflege durch die staatliche Gesetzgebung weitgehend refinanziert werden, behalten die Sammlungen eine wichtige Funktion. Innovative Pilotprojekte, unterfinanzierte Maßnahmen oder kurzfristig geleistete Katastrophenhilfen werden durch das staatliche System nicht erfasst. "Außerdem werben die Sammlerinnen und Sammler an den Haustüren nicht nur um Geld", sagt Caritasdirektor Franz Mattes, "sondern auch um ein Zeichen der Solidarität und Mitmenschlichkeit."
Lebensmittelsammlung
In den Zeiten der Not mussten Menschen mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden. Deshalb nahmen Lebensmittel- oder Kleidersammlungen lange Zeit einen viel höheren Stellenwert ein als die Bargeldsammlungen.
Historisches Dokument
Ein Dokument aus dem Jahr 1924 gibt einen Eindruck, wie die Caritassammlung nach der galoppierenden Inflation und Geldentwertung des Jahres 1923 in der Diözese organisiert wurde.
Sammlungsaufruf aus dem Pastoralblatt, 3. Oktober 1924
Im Original zitiert
Nach oberhirtlicher Anordnung soll der Diözesan-Caritasverband auch in diesem Jahr [1924] eine einheitliche Lebensmittelsammlung in der Diözese durchführen. Wohl hat die vielfache Mißernte, die allgemeine Geldknappheit, die drückende Steuerlast, dazu die schlimme Preislage der landwirtschaftlichen Produkte auch auf dem Lande eine große Not geschaffen, die es allen Landwirten schwer und manchen unmöglich macht, etwas abzugeben. Andererseits sind aber das Diözesanseminar, das durch die Kapitalienentwertung in große Bedrängnis geraten ist, die caritativen Anstalten, die zum Teil kranke und preßhafte Insassen von früheren Jahren her nun aus eigenen Mitteln forterhalten müssen, und in Städten so viele notleidende Familien und alte Leute ohne Verdienstmöglichkeit, die einem schlimmen Winter entgegensehen, immer noch auf die Mildtätigkeit des Landvolkes angewiesen. Darum ist eine caritative Sammlung auch heuer eine Lebensnotwendigkeit.
Zur Durchführung derselben wendet sich der Verband vor allem an den Hochwürdigen Klerus mit der Bitte um opferwillige Mithilfe zu einigem Erfolg und verweist auf die im Vorjahr gegebenen Richtlinien (Past.Bl. 1923, S. 53f.). Als Lebensmittelwoche möge etwa die Woche vor oder nach dem Erntedankfest verkündet werden. Die H. H., die im Vorjahre als Vertrauensmänner Sammellieferungen bewerkstelligten, werden sich auch heuer dieser Mühe unterziehen und über Ort und Zeit der Anlieferung den einschlägigen Pfarreien Aufschluß erteilen. Mit ihnen kann nach der Praxis der Vorjahre auch unmittelbare Vereinbarung getroffen werden; doch wolle stets das Sammelergebnis im Interesse einer gleichmäßigen Zuteilung baldigst an das Ordinariat berichtet werden. Besondere Wünsche und Anträge, sei es der Sammelpfarreien, sei es der Anstalten und Ausschüsse (ob und wieweit Kartoffelankauf von auswärts ev. zu verbilligten Preis gewünscht wird) mögen dem Verbande rechtzeitig mitgeteilt werden.
Freifrachtbriefe können angesichts der verschärften Bedingungen nur von Fall zu Fall abgegeben werden unter Mitteilung der zur Ausfüllung des Frachtbriefes nötigen Angaben. Jeder geringste Verstoß gegen die Dienstanweisung (z.B. wenn nichtfrachtfreie Gegenstände versandt werden, oder als Empfänger oder Absender nicht ein Caritasausschuss oder -verband, sondern eine Anstalt oder ein Pfarramt angegeben ist) gefährdet die Fortdauer der Vergünstigung für die Allgemeinheit.
[Karl] Vogt,
1. Vorsitzender