Jahre- und jahrzehntelang lief alles gut. In den Pfarreien des Bistums waren seit etwa 1900 zahlreiche Krankenpflegevereine gegründet worden. Ordensschwestern aus verschiedenen Kongregationen versahen den damals neuen Dienst der häuslichen Pflege. Der Unterhalt der Stationen wurde über Mitgliedsbeiträge finanziert. Ohne Verein gab es vor Ort keine häusliche Pflege.
Schwestern fehlen
Anfang der 1980er Jahre wurde der Mangel an Ordensschwestern immer spürbarer. Im Herbst 1983 arbeiteten noch rund 50 Schwestern in der Pflege, die meisten von ihnen waren 70 Jahre und älter. Stand dieser segensreiche Dienst damit vor dem Aus? Caritasdirektor Jakob Weidendorfer und der Leiter des Ingolstädter Volksbüros, Josef Hollacher, der auch viel für die Caritas arbeitete, mussten umdenken: "Weltliche" Kräfte sollten die ambulante Pflege übernehmen.
Krankenpflegevereine neu gegründet
Bis auf wenige Ausnahmen waren die meisten der rund 75 an die örtlichen Pfarreien angebundenen ambulanten Krankenpflegevereine inaktiv oder verwaist. In Vorgesprächen mit Pfarrern, Vertretern der Kirchenverwaltung und der Pfarrgemeinderäte wies der Diözesan-Caritasverband auf die prekäre Situation hin. Und man ging ans Werk: Es folgten etwa 400 Abendveranstaltungen im gesamten Bistum. Innerhalb von fünf Jahren wurden rund 70 neue Krankenpflegevereine gegründet oder reaktiviert. Mitglieder mussten gewonnen und Verantwortliche für die Vorstandschaften gefunden werden. Die Mitgliederzahl bei den Vereinen erhöhte sich von rund 15.000 auf 37.000 im gesamten Bistum.
Verein - Verbund - Sozialstation
Der Zug der Zeit, dass kleine Einheiten sich zu größeren zusammenschlossen, ergriff auch die ambulante Pflege. Benachbarte kleine und eigenständige Stationen schlossen sich zu Krankenpflegeverbänden zusammen. Mitte der 1980er Jahre gab es rund 50 "Verbundstationen".
Nachdem sich die Rahmenbedingen weiter verändert hatten, schlossen sich seit Beginn der 1990er Jahre auf regionaler Ebene auch Krankenpflegeverbände zusammen und gründeten die heute existierenden Sozialstationen. Willibald Heiß, der seit 1980 alle diese Veränderungsprozesse begleitete, berichtet: "Der Verlust der Selbständigkeit war oft mit großen Vorbehalten und Widerständen verbunden. Trotzdem war er im Nachhinein betrachtet unumgänglich."
Die Zukunft fordert heraus
Das Pflegeversicherungsgesetz von 1995 und in der Folge etliche gesetzliche Anpassungen brachten eine enorme Ausweitung von Leistungen für pflegebedürftige Menschen. Diese sollen möglichst lange im gewohnten häuslichen Umfeld bleiben können. Da die Kranken- und Pflegekassen die ambulante und die Tagespflege weitgehend finanzieren, sinkt die Bedeutung der Krankenpflegevereine. Die meisten der aktuell 136 Vereine im Bistum, die dem Caritasverband angeschlossen sind, verlieren seit Jahren Mitglieder. Einzelne Vereine lösen sich auf, weil sich kein Vorstand finden lässt. Dennoch: Vielerorts gibt es engagierte Verantwortliche, ein lebendiges Vereinsleben und stabile Mitgliederzahlen. Zunehmend verstehen sich Krankenpflegevereine nicht mehr nur als Finanzgeber von Sozialstationen. Sie organisieren Vorträge zu Gesundheitsthemen, bieten Hausbesuche und Fahrdienste an oder unternehmen Vereinsausflüge. Man darf gespannt sein, wohin die Entwicklung geht.
Nach den Aufzeichnungen von Willibald Heiß,
Emsing 23.3.2017