Einsamkeit in Kindheit und Jugend
PD Dr. Thomas Schnelzer sieht in der Einsamkeit eine mitmenschliche Mangelerfahrung. Foto: Peter Esser
Die Einsamkeit wird heute für immer mehr Menschen zu einer schwer zu ertragenden Wirklichkeit; insbesondere alte Menschen sind einem als schmerzlich empfundenen Alleinsein ausgesetzt.
Doch auch junge Menschen leiden zunehmend an Einsamkeit. Die Corona-Krise hat hier eine entscheidende Rolle gespielt und ist bis heute verantwortlich für ein fundamentales Gefühl der Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts, mit dem sich viele junge Menschen alleingelassen fühlen.
Vor dem Hintergrund weiterer Krisen, insbesondere dem Ukraine-Krieg und der Angst, dass die menschenverachtende Destruktivität des russischen Aggressors auch über uns hereinbricht, ist eine neue Art von Einsamkeit entstanden, die viel mit Depressivität zu tun hat: Kinder und Jugendliche fühlen sich in ihren Ängsten unverstanden und ohne Unterstützung und deshalb bedrückt, ohne dass dies in Worte gefasst werden könnte. Dies ist deshalb so, weil diese Ängste nicht immer bewusst sind, weil sie, da schwer zu ertragen, verdrängt werden. In jedem Fall haben aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen wie die Trendstudie Jugend in Deutschland (2024) sowie die Shell-Jugendstudie (2024) die drastische Zunahme von Ängsten und Depressionen bestätigt.
Wenn ein junger Mensch sagt, oder - wenn er dazu nicht in der Lage ist - sagen müsste: "Ich fühle mich einsam, weil ich Angst habe!" bedeutet das: "Ich werde in meiner Angst nicht gesehen und ernst genommen; niemand hilft mir, indem er mir ein Gespräch anbietet und mir Wege zeigt, wie ich mit meiner Angst besser umgehen kann; anscheinend bin ich nichts wert, weil mir niemand hilft!"
Dies alles zeigt: Einsamkeit deutet auf mitmenschliche Mangelerfahrung hin: Es fehlen Nähe und Zuwendung, Verständnis und Unterstützung.
Dr. Thomas Schnelzer sieht eine neue Art von Einsamkeit, die viel mit Depressivität zu tun hat. Foto: © panthermedia.net/mitarart
Vor diesem Hintergrund ist es zentral wichtig, jungen Menschen, die sich anhaltend einsam fühlen ein haltgebendes Beziehungsangebot zu machen, in dem Ängste und Sorgen ernst genommen werden und zur Sprache kommen können. Dies kann im Rahmen der Familie geschehen oder auch durch ein professionelles Hilfsangebot wie das unserer Erziehungsberatungsstellen, zumal wenn sich Einsamkeit, Angst und Depressivität verfestigt haben und einen erheblichen Leidensdruck und gravierende Beeinträchtigungen oder gar Gefährdungen wie Suizidalität bewirken.
Bereits das Sprechen über Ängste und Sorgen ermöglicht nicht nur eine emotionale Entlastung, sondern auch ein Durchbrechen der Einsamkeit, denn das einfühlsame, authentische und wertschätzende Gespräch transportiert die befreiende Botschaft: "Ich nehme wahr, dass es dir nicht gut geht. Weil du mir wichtig bist, möchte ich dir helfen; du bist nicht allein, sondern ich bin bei dir!"
Auf dieser Vertrauensbasis können neue Perspektiven erarbeitet werden. Dabei ist es oft hilfreich, irrationalen Ängsten durch sachliche Informationen entgegenzutreten, um so die Hoffnung zu vermitteln: Die aktuellen Krisen sind ernst, aber: Man kann etwas tun und es wird auch ganz viel getan, dass sich die Dinge wieder zum Guten wenden.
Sind Kinder und Jugendliche religiös geprägt, besteht die Möglichkeit, dazu zu ermutigen, auf Gottes Hilfe zu vertrauen. Vielleicht kann dann zur existentiellen Gewissheit werden, wovon Papst Benedikt XVI. so oft gesprochen hat: "Wer glaubt, ist nicht allein!"
PD Dr. habil. Thomas Schnelzer, M.A.
Diplom-Psychologe
Diplom-Theologe
Approb. psychologischer Psychotherapeut