In der Hausaufgabenbetreuung half der Bischof selbst den Kindern bei Fragen. Foto: Caritas/Esser
"Was ist aufdringlich?", fragt der 13-jährige Eyüp aus der Türkei den Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke ein Wort, das er in einem deutschen Text nicht versteht, in der Hausaufgabenbetreuung an der Sir-William-Herschel-Mittelschule Ingolstadt. "Das Gegenteil von höflich", antwortet ihm der Bischof. Danach wendet er sich den zwei elfjährigen Jungen Hlib und Olexandr aus der Ukraine zu, die eine Frage in Mathe haben. Mit ihnen errechnet er, dass eine Ameise das bis zu Zehnfache ihres Körpergewichts tragen kann. Anschließend erzählen die beiden dem Bischof Erlebnisse des Krieges in ihrem Heimatland, die sie miterleben mussten - was dem Bischof sichtlich nachgeht. "Ich wünsche euch hier alles Gute. Ihr habt eine schöne Schule", sagt er den beiden Jungen.
Der Eichstätter Bischof hat am gestrigen Josefstag die Offene Ganztagsschule und Jugendsozialarbeit der Caritas an der Ingolstädter Mittelschule besucht. Neben der Hausaufgabenbetreuung nahm er am kreativen Gestalten im Schülercafé teil, machte einen Rundgang durch das Schulgebäude und dessen Garten, aß mit Schülerinnen und Schülern zu Mittag, lernte das Lernpatenprojekt kennen und führte ein langes Gespräch mit Verantwortlichen. Dabei waren Schulleiter Norbert Mair, der Geschäftsführer der Katholischen Jugendsozialarbeit Bayern, Michael Kroll, Caritas-Kreisstellenleiter Bernd Leitner und unter anderen die Caritas-Jugendsozialarbeiterinnen Julia Heider und Julia Probst.
Hilfreiches Lernpatenprojekt
"Was sind denn deine Lieblingsfächer?", fragte der Bischof beim Mittagessen den zwölfjährigen Arsen. "Mathe und Sport". "Und was willst du mal werden?" "Polizist", antwortete ihm der Schüler, woraufhin ihn der Bischof informierte, dass es in Eichstätt eine Bereitschaftspolizei gibt. Wenig später ließ sich der Bischof im Lernpatenprojekt auf ein Spiel "Vier gewinnt" mit dem zwölf-jährigen Leo ein. "Leo Respekt!", meinte Hanke, als er dem Jungen unterliegt. Wichtiger ist ihm freilich zu erfahren, dass Leo sowie vielen anderen Schülerinnen und Schülern hier beim Lernen geholfen wird - an diesem Tag von der Ehrenamtlichen Barbara Hartmann. Diese erklärte Leo gestern Quadrate und Rechtecke, "doch viel wichtiger ist mir, Freude am Lernen zu vermitteln", informierte die Ehrenamtliche.
Das Lernpatenprojekt wurde vor knapp 20 Jahren an der Schule von Seiten der Caritas ursprünglich als Leseprojekt für nicht ausreichend Deutsch sprechende Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Hierbei stellten sich Seniorinnen und Senioren ehrenamtlich einmal pro Woche zur Verfügung, um mit den Schülerinnen und Schülern zu lesen. Mittlerweile sind es nicht nur Senioren, sondern beispielsweise auch junge Beschäftigte bei Audi, "die mit unseren Kindern nicht mehr unbedingt lesen, sondern Deutsch, Mathematik und Englisch lernen. Ein sehr wertvolles und für beide Seiten gewinnbringendes Projekt", so Julia Heider. Das Lernpatenprojekt sucht Freiwillige, die den Kindern und Jugendlichen zur Seite stehen - weitere Informationen gibt es hier.
Mit Interesse wurden von den Schülerinnen und Schülern gestaltete Wände wahrgenommen. Foto: Caritas/Esser
Im Schülercafé hatten die Jugendlichen zwei Wände gestaltet: zum einen zum Thema "Europa als Chance" - Motto des diesjährigen Josefstages -, zum anderen über sich selbst: ihre Herkunftsländer, Talente, Fähigkeiten und Träume. "Fußballprofi werden", "Viel Geld verdienen" und "Meine Eltern stolz machen" standen dort zum Beispiel. Im Beisein des Bischofs gestalteten einige Kinder frühlingshafte Glas-Dekoobjekte.
Keine Gewalt an der Schule
Im Gespräch mit den Verantwortlichen wurden unterschiedliche Themen erörtert. Corona habe Ängste erzeugt, erklärte Julia Heider. "Bei fünf bis sechs Stunden täglich vor dem Rechner fiel der soziale Faktor aus". Schulleiter Mair pflichtet ihr bei "Der Lockdown war zu lang." Er informierte, dass an der Schule 416 Kinder und Jugendliche aus 42 Nationen lernten. "Manche kommen ohne jegliche Deutschkenntnisse und absolvieren dann einen Crashkurs Deutsch". Sie seien dann oft frustriert, wenn sie im Regelunterricht sitzen und nichts verstehen, erfährt Julia Heider. Die Jugendsozialarbeiterinnen dienten ihnen als "soziales Auffangbecken". Sie leisteten sowohl "Feuerwehrarbeit", wenn junge Menschen mal ausrasten, als auch "Beziehungsarbeit", informierte Julia Probst.
Auch beim kreativen Gestalten suchte Hanke das Gespräch mit den Jugendlichen. Foto: Caritas/Esser
Als Erfolg sehen die Schulverantwortlichen die Praxisklassen, in die Schülerinnen und Schüler gehen, die auf normalem Weg keinen Abschluss machen können. Diese seien zum Beispiel hochmotiviert, den Schulgarten zu pflegen. "Bei uns lernen sie zu arbeiten", so Mair, weshalb viele auch trotz schlechter Noten eine Ausbildungschance in Betrieben erhielten. Die Schulumgebung ist für Mair auch ein Grund, weshalb "wir keine Gewalt an der Schule haben. Es macht eben einen Unterschied, ob ich gegen eine Betonwand schaue oder ins Grüne."
Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist es nach den Worten des Schulleiters allerdings zu Spannungen zwischen ukrainischen und russischen Schülerinnen und Schülern gekommen. "Es hat etwas gedauert, bis das wieder im Lot war." Dafür hätten sowohl die Klassenlehrerinnen und -lehrer als auch die beiden Jugendsozialarbeiterinnen der Caritas das Gespräch mit den jungen Menschen gesucht. Dass keine Gewalt in der Schule vorkomme, hat laut Mair auch wesentlich damit zu tun, dass die Schule einen transparenten Regelkatalog habe und fünf Werte leben wolle, die an einer Wand der Schule stehen: Respekt, Disziplin, Pünktlichkeit, Friedfertigkeit und Verantwortung. Viele Schülerinnen und Schüle hätten zudem das Prinzip Gerechtigkeit verinnerlicht, sagten die Caritas-Schulsozialarbeiterinnen. Mair informierte, dass es für sozial schwache Schülerinnen und Schüler, die zu Hause kein Frühstück bekämen, das Schulfrühstück gebe, das eine Reinigungskraft der Schule zusammen mit einer Caritas-Mitarbeiterin organisiere. Wie bei diesem Angebot zögen Schule und Caritas grundsätzlich bei der Betreuung der jungen Menschen an einem Strang. Bischof Hanke zeigte sich beeindruckt "von der Internationalität, der Kreativität, der Nähe zur Natur und vom pädagogischen Konzept der Schule".
Heiliger Josef als Schutzpatron der Arbeiter und Jugendlichen
Der Josefstag geht auf den Heiligen Josef als Schutzpatron der Arbeiter und Jugendlichen zurück. Seit vielen Jahren besuchen Verantwortliche aus der Kirche an diesem Tag Einrichtungen der Jugendsozialarbeit und setzen damit ein Zeichen für die Bedeutung dieser Arbeit. Der Josefs-tag hebt die Bedeutung der katholischen Träger und Einrichtungen für die Integration benachteiligter Jugendlicher hervor und gibt Impulse für politische Entscheidungen.