"Frieden beginnt bei mir". So lautet das Motto der diesjährigen bundesweiten Caritas-Jahreskampagne. In ganz Deutschland finden dazu verschiedene Aktionen statt. Auch in unseren Einrichtungen im Bistum Eichstätt wurden sie umgesetzt. Ich habe einige besucht und möchte Ihnen darüber ein wenig erzählen. Außerdem möchte ich Ihnen eine Stellungnahme der Caritas für Frieden in der Ukraine vorstellen und am Ende noch ein beeindruckendes Beispiel für Friedensarbeit in diesem Land, das auf der Homepage für die Caritas-Jahreskampagne steht.
"Wir leben in einer Zeit, in der Krieg im Vordergrund steht und mit Atomwaffen gedroht wird. Die Menschen sind verunsichert. Wir brauchen Frieden und Gespräche", erklärte mir Helmut Bahn, ein 86-jähriger Bewohner des Caritas-Seniorenheims Denkendorf. Die Mitarbeitenden haben Blätter mit Friedenstauben an einem Fenster aufgehängt, auf denen unter anderem steht: "Frieden ist, wenn kein Krieg mehr ist." "Frieden beginnt morgens nach einer ruhigen Nacht." "Frieden fängt mit einem freundlichen ehrlichen Lächeln an." "Frieden bedeutet für mich Zusammenhalt im Team mit Vertrauen und offenen Gesprächen." An einem Ast in einer Ecke hängen aus Papier gebastelte Friedenstauben. Einrichtungsleiterin Cornelia Maier informierte in einer Ansprache vor Mitarbeitenden sowie Bewohnerinnen und Bewohnern, dass das Symbol der Friedenstaube auf die Bibelgeschichte zurückgeht, in der Gott mit Noah in seiner Arche nach der Sintflut Frieden schließt. "Als eine Taube mit einem frischen Olivenzweig auf die Arche zurückkehrte, wusste Noah: Die Flut geht zurück. Gott lässt uns nicht im Stich. Gott ist wieder versöhnlich gestimmt und hat Frieden mit den Menschen geschlossen." Das Wort Frieden, so Cornelia Maier, bedeute nach biblischem Verständnis umfassendes Glück, Gesundheit und Wohlergehen des Einzelnen und der Gemeinschaft, gelungenes Leben in gelungenen Beziehungen - zu anderen Menschen, zu sich selbst und zu Gott. Das hebräische Wort für Frieden "Schalom" bezeichne den Zustand des "Heilseins" und des Wohlergehens.
In der Mitte des Foyers im Haus steht ein Spiegel mit der Aufschrift "Frieden beginnt bei mir." Ein Spiegel wurde nach Mitteilung von Cornelia Maier zu einem Medium, mit dessen Hilfe eine Mitarbeiterin des Hauses, die sich in einem Konflikt befand, wieder mehr eigenen inneren Frieden fand. Gemeinsam mit dieser schaute die Seniorenheimleiterin eine viertel Stunde in einen Spiegel im Zimmer eines Bewohners und beriet sich dabei mit ihr über ihr Problem. "Anschließend hatten wir, so denke ich, doch einen kleinen inneren Frieden gefunden. Man benötigt aber Zeit und muss mit dem inneren Auge in den Spiegel schauen", so Cornelia Maier.
Im Caritas-Seniorenheim Freystadt haben sich die Bewohnerinnen und Bewohner zusammen mit Mitarbeitenden des Hauses in Betreuungsgruppen mit dem Thema Frieden auseinandergesetzt. Herausgekommen sind zahlreiche gebastelte Papier-Friedenstauben, die in mehreren Stationen im Haus nun an der Decke hängen sowie drei Stellwände mit knapp 50 Blättern mit aufgedruckten Friedenstauben im Wintergarten, auf denen Wünsche für den Frieden aufgeschrieben wurden. Darunter finden sich sowohl politische Wünsche als auch solche für den Frieden im Kleinen. Politische Wünsche lauten zum Beispiel: "Dass keine Kinder mehr für den Frieden im Krieg kämpfen müssen", "Eine nachhaltigere Lebensweise, Dialog und Toleranz" oder "Dass niemand auf der Welt hungern muss". Für den Frieden im Kleinen stehen dort Sprüche wie "Harmonisches Miteinander in der Familie und in der Nachbarschaft", "Jemanden so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte", "Seine Meinung zurücknehmen und auch andere Meinungen akzeptieren" und nicht zuletzt "Den Mitbewohner schätzen".
Dass sich Einrichtungsleiter Michael Baum für die Kampagne stark gemacht hat, liegt nach seinen Worten daran, "dass es ja überall auf der ganzen Welt brennt und wir auch viele Seniorinnen und Senioren haben, die in Deutschland noch den Krieg miterlebt haben". Zu diesen gehört unter anderen die 83-jährige Martha Dunkes. Sie erinnert sich noch daran, "dass wir uns im Garten auf den Boden geworfen haben, wenn die Flieger kamen". Eine andere weniger schöne Erfahrung hatte die 85-jährige Sabina Stark gemacht: Sie stammt aus dem früheren Dorf Pielenhofen, das einem Truppenübungsplatz zum Opfer fiel. Beide Bewohnerinnen wünschen sich nichts mehr als Ruhe und Frieden, wobei dieser für sie im Kleinen beginnt: "Es soll keinen Streit geben", erklärte Sabina Stark, und Martha Dunkes wünscht sich, "dass es bei uns im Haus so bleibt, wie es ist und auch in der Familie Frieden gibt".
"Was Sie hier tun, ist Friedensarbeit." Das sagte vor kurzem ein Klient der ökumenischen Erziehungsberatung Eichstätt dessen Berater Richard Grabisch. Die Aussage verdeutlicht, warum diese Stelle in besonderer Weise die diesjährige bundesweite Caritas-Jahreskampagne unter dem Motto "Frieden beginnt bei mir" umgesetzt hat. "Diese hat einfach ganz viel mit unserer Arbeit zu tun", erklärte mir Leiterin Carmen Okhuysen.
Im Gang vor der Stelle hängen über 20 Blätter mit Friedenstauben. In diese haben Mitarbeitende eigene Sprüche über den Frieden sowie solche von Klienten geschrieben. Es stehen dort zum Beispiel Sätze wie: "Ein Jugendlicher sieht für sich wieder eine Perspektive für sein Leben", "Wenn Eltern sich verstanden fühlen und Probleme mit ihren Kindern Schritt für Schritt meistern können, sodass sie sich sicher fühlen dürfen" und "Ein Ehepaar spricht wieder miteinander, findet Zeit für sich".
"Bei hochstrittigen Paaren ist schon viel erreicht, wenn es zu einem ‚Waffenstillstand‘ kommt", erklärte mir Richard Grabisch. Etwa die Hälfte der Fälle in der Beratungsstelle hat laut Carmen Okhuysen mit Familien zu tun, die Trennung und Scheidung betreffen. "Wir helfen den Paaren, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu verdeutlichen, damit sie zu diesen gemeinsam eine gute Beziehung pflegen, auch wenn Vater und Mutter nicht mehr zusammenleben", so Carmen Okhuysen. Auch habe es die Beratung schon erreicht, dass Eltern wieder in eine Beziehung traten, die zuvor zwei Jahre nicht miteinander gesprochen hatten. Ebenso gebe man zum Beispiel Ratschläge, was zu tun ist, wenn ein Geschwisterkind sich von den Eltern nicht gesehen fühlt und meint, dass der Fokus zu sehr auf dem Bruder oder der Schwester liegt. Es komme nicht selten vor, dass in der Beratung Tränen fließen. "Dann helfen wir dabei, aus dem Schmerz und der Trauer heraus wieder Neues zu beginnen. Wir helfen zum Beispiel einem Jugendlichen, der Mobbing ausgesetzt war, wieder sein Selbstwertgefühl zu finden", informierte mich Leiterin Carmen Okhuysen.
Soweit einige Erfahrungen mit der Caritas-Jahreskampagne in unseren Caritaseinrichtungen. Wie aber kann Frieden in der Ukraine beginnen, deren Bevölkerung seit mehr als zwei Jahren unter dem russischen Angriffskrieg leidet? Die Frage nach dem Umgang mit Krieg und Gewalt führt in ein ethisches Dilemma, das derzeit viele Menschen bewegt: Ist es mit dem christlichen Friedensgebot vereinbar, Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern? Wird das Leiden der Menschen damit nicht verlängert? Andererseits: Darf den Opfern eines Krieges Hilfe verweigert werden? Die deutsche Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa meint: Gegen einen brutalen Aggressor ist es ein Gebot der Menschlichkeit, die Angegriffenen in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen. Wo Menschen Gewalt und Grausamkeit erfahren, ist die Selbstverteidigung die einzige Möglichkeit, um die unmittelbare Aggression und Bedrohung abzuwenden. Erst dann können Recht und Gerechtigkeit wiederhergestellt werden. Frieden muss - nach Krieg und Gewalt - ein gerechter Frieden sein, der weit mehr umfasst als die Abwesenheit von kriegerischen Handlungen. Es muss ein langfristiger Frieden sein und nicht nur ein Waffenstillstand oder gar eine einseitige Kapitulation.
Und Frieden beginnt im Kleinen. Frieden beginnt, wo die Flagge des Flammenkreuzes weht. Sei es in den zahlreichen Kindergärten, in denen die Caritas Ukraine kriegstraumatisierten Kindern einen sicheren Ort der Zuflucht schafft, sei es innerhalb der Arbeit der mobilen Pflegedienste, die zum Teil unter Einsatz ihres Lebens Alte und Kranke entlang der Frontlinie versorgen. Jedes der Hilfsangebote der Caritas in der Ukraine, die bereits mehr als drei Millionen Menschen erreicht haben, ist gelebte Solidarität und hält den Blick auf den Horizont des Friedens offen.
Ein Beispiel für eine Friedensstifterin der Caritas in der Ukraine ist Ina. Ina leitet einen von über 50 sogenannten Child Friendly Spaces in dem Land. Es ist eine Caritas-Kindertagesstätte, die Schutz, aber auch Orte des Lernens, des Spielens und der Gemeinschaft bietet. Täglich zwischen 10 und 17 Uhr werden in der Kita in der Nähe von Lwiw Kinder betreut: in einem freundlichen, kindgerechten Raum voller Bücher, Spiele und Lernmaterialien. Es gibt Kuschelecken, Rückzugsräume, Platz für Kunsttherapie und Lernbereiche. Hier schaffen Ina und ihr Team einen Raum des Vertrauens und der Unterstützung.
Ina, die selbst vor dem Krieg von Winnyzja in die Westukraine floh, ist froh, eine Stelle bei der Caritas gefunden zu haben. "Die Kinder hier geben mir jeden Tag Hoffnung. Wenn ich sehe, wie sie trotz der widrigen Umstände lachen und spielen, dann weiß ich, dass wir etwas Gutes tun. Der Frieden beginnt hier, in diesem kleinen Garten, in den Herzen dieser Kinder”, sagt Ina.
Seit Februar 2022 wurden in allen Caritas-Niederlassungen, die als Hilfszentren für Binnenflüchtlinge dienen, solche Schutz- und Spielräume eingerichtet. Alle diese Child Friendly Spaces sind mehr als nur Orte zum Spielen. Sie sind Oasen der Ruhe in einem Land, das von Krieg und Unsicherheit geprägt ist. Ina setzt sich leidenschaftlich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche trotz des Krieges in der Ukraine Kinder sein dürfen und einen Ort haben, an dem sie sich von der chaotischen und kriegerischen Außenwelt erholen können. In diesem kleinen Garten entsteht eine Gemeinschaft, die von Lachen, Spielen und Zusammenhalt geprägt ist. "Hier geht es nicht nur um Spiele und Aktivitäten”, berichtet die Pädagogin. "Es geht darum, den Kindern ein Stück ihrer verlorenen Kindheit zurückzugeben. Wir schaffen einen Raum, in dem sie ihre Sorgen zumindest für eine Weile vergessen können." Das ist Frieden für sie.