Bernhard Gruber, Sozialberater bei der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt und Sprecher für die Allgemeine Sozialberatung der Caritas in der Diözese Eichstätt, fordert ein Recht auf analogen Zugang bei Behörden. Foto: Caritas/Peter Esser
Immer mehr Klientinnen und Klienten der Allgemeinen Sozialberatung der Caritas im Bistum Eichstätt haben Probleme mit der zunehmenden Digitalisierung bei Behörden und Ämtern. Bei einer bundesweiten Stichtagserhebung am 18. September dieses Jahres gaben fast zwei Drittel von 77 Ratsuchenden an den sieben Caritas-Kreisstellen in der Diözese an, Schwierigkeiten damit zu haben: Das waren doppelt so viele wie bei derselben Untersuchung ein Jahr zuvor. Ein weiteres wesentliches Ergebnis der Erhebung dieses Jahr ist, dass weiterhin viele der Klientinnen und Klienten finanzielle Probleme haben. Mit 49 Prozent ist auch deren Anteil nochmals gegenüber 43 Prozent im Jahr 2024 gestiegen, als am Stichtag etwa genauso viele Klientinnen und Klienten beraten wurden.
Recht auf analogen Zugang gefordert
"Viele Behörden nehmen nur noch oder fast nur noch Online-Anträge an. Dem werden viele Hilfesuchende aber nicht gerecht, weil sie das entweder überfordert oder sie gar keine E-Mailadresse oder keinen Computer haben. Und am Handy schaffen es viele nicht, das hinzubekommen", erklärt Bernhard Gruber. Er ist Sozialberater bei der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt und Sprecher für die Allgemeine Sozialberatung der Caritas in der Diözese Eichstätt. Auch Online-Terminvereinbarungen seien für viele schon eine zu hohe Hürde. Dies stelle Betroffene vor große Probleme bei der Zusammenarbeit mit etwa der Agentur für Arbeit, mit Wohnungsbaugesellschaften oder der Ausländerbehörde. "In Ingolstadt kann man auch einen Kindergartenplatz nur noch über den Online-Kitafinder bekommen", nennt Gruber ein weiteres Beispiel. "Ich bin nicht gegen die Digitalisierung, aber es muss auch ein Recht auf einen analogen Zugang geben", fordert der Sozialberater im Sinne seiner Klientinnen und Klienten. Auch für die Caritas-Mitarbeitenden selbst sei es immer schwerer, mit Behörden und Banken etwas auf dem kurzen Dienstweg telefonisch zu klären, so der Caritassprecher.
Obwohl es immer mehr Hilfesuchende mit finanziellen Problemen gibt, fällt bei der diesjährigen Erhebung auf, dass heuer wesentlich weniger Ratsuchende Bürgergeldempfänger waren als im Vorjahr: 34 Prozent gegenüber fast 60 Prozent in 2024. Gruber führt diesen Umstand darauf zurück, "dass nun mehr Leute einen Antrag auf Wohngeld und Kinderzuschlag stellen, weil diese Sozialleistungen bei den Klientinnen und Klienten immer mehr bekannt werden. Dadurch kann der Bezug von Bürgergeld verhindert werden."
Ein weiteres auffälliges Ergebnis bei der diesjährigen Erhebung ist, dass heuer mit 45 Prozent erheblich mehr Hilfesuchende ohne Bildungsabschluss die Sozialberatungen aufsuchten als im Vorjahr mit 26 Prozent. "Es kommen vor allem jüngere Leute, die keinen Berufsabschluss haben. Bei vielen Menschen mit Migrationshintergrund wird zudem oft der Bildungsabschluss im Herkunftsland hier nicht anerkannt oder es dauert sehr lange", so Gruber. Die Anzahl der Migrantinnen und Migranten unter den Klientinnen und Klienten ist erneut innerhalb eines Jahres gestiegen: von 54 auf 60 Prozent. Damit hängt es nach Einschätzung von Bernhard Gruber auch zusammen, dass die Anzahl der Ratsuchenden gestiegen ist, welche die Beratung durch Sprachprobleme erschwert sahen: von 29.2 auf 36,4 Prozent.
Eine weitere Auffälligkeit bei der Untersuchung ist, dass sich die Anzahl derjenigen von 28 auf 45 Prozent stark erhöht hat, die erst seit kurzer Zeit Bürgergeld oder Kinderzuschlag beziehen. Der Ingolstädter Sozialberater führt dies auf zwei Entwicklungen zurück: "Zum einen gibt es immer mehr hohe Mieten, und diese werden für Bürgergeldempfänger im ersten Jahr in der Regel komplett vom Jobcenter übernommen. Hohe Mieten führen dann zum Bezug von Bürgergeld." Zum anderen sei der Freibeitrag für Auszubildende mit Bürgergeld erhöht worden, um Ausbildungen zu fördern. "Sie haben jetzt einen höheren eigenen Verdienst als früher", so Gruber. Das mache es auch für ärmere junge Menschen attraktiver, schnell eine Ausbildung zu starten.
"Nahezu jeder zweite Klient bei uns psychisch belastet"
Schließlich fällt bei der Studie auf, dass Caritas-Fachdienste wie zum Beispiel Sozialpsychiatrische Dienste, Flüchtlings- und Integrationsberatungen oder die Suchtambulanz mehr eigene Klientinnen und Klienten an die Caritas-Sozialberatungsstellen überwiesen haben. "Das sind unter anderem Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger in Deutschland leben, aber auch andere, die sozialrechtliche Probleme haben, welche die Allgemeine Sozialberatung am besten klären kann", informiert Gruber. Umgekehrt haben die Sozialberatungsstellen dieses Mal auch mehr eigene Klientinnen und Klienten an die Sozialpsychiatrischen Dienste der Caritas vermittelt. "Das hängt damit zusammen, dass nahezu jeder zweite Klient bei uns psychisch belastet ist. Die Problematiken reichen von Vereinsamungen bis zu Depressionen", erklärt der Caritas-Sprecher.
Allgemeine Sozialberatung leisten im Bistum Eichstätt die Caritas-Kreisstellen in Eichstätt, Herrieden , Ingolstadt, Neumarkt, Nürnberg-Süd, Roth und Weißenburg. Außenstellen gibt es zudem in Altdorf, Beilngries , Eibach , Gunzenhausen, Hilpoltstein, Kösching , Schwabach und Wemding.