Alljährlich ruft die Landesarbeitsgemeinschaft „Freie Wohlfahrtspflege Bayern“ zum „Rollentausch“ auf. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens dürfen dann den Arbeitsalltag, beispielsweise in Altenheimen, hautnah erleben und selbst aktiv mithelfen. Auch die Caritas im Bistum Eichstätt hat sich heuer wieder beteiligt – unter anderem hospitierte der frühere evangelische Landesbischof Dr. Johannes Friedrich in der Sozialstation Abenberg-Spalt.
Sie verfügt über zwei Arbeitsfelder – und in beiden hat sich der Geistliche erprobt. Vormittags ging es mit auf Pflegetour, direkt danach half er bei der Betreuung in der Tagespflege mit. Eine Herausforderung auch deswegen, weil der Theologe erst am Vorabend aus Venedig zurückkam, wo er die internationale Kunstausstellung Biennale besucht hatte. Die Nacht war also kurz gewesen, dennoch heißt es in der Frühe zeitig aufstehen. Um sieben Uhr beginnt die ambulante Tour des Ex-Bischofs. Gemeinsam mit Schwester Anja Brunner werden die Senioren in ihren Wohnungen besucht. Oft ist Duschen angesagt – und natürlich dokumentieren, der große Zeitfresser unter den Tätigkeiten rund um die Pflege. Friedrich erlebt den Druck mit, unter dem die Betreuerinnen und Betreuer stehen. Dazu kommt der Wetterumschwung an jenem Tag. Vielleicht sind deswegen einige Besuche herausfordernder als sonst.
Der Seelsorger selbst wird aber überall mit offenen Armen begrüßt. Er genießt die Unterhaltung mit den Senioren ebenso wie sie. Nicht immer ist sie aufgrund der verschiedenen Krankheitsbilder so ohne Weiteres möglich. Beengte Wohnverhältnisse schaffen zusätzliche Probleme. Zum ersten Mal überhaupt sieht der Ex-Bischof einen Treppenlift in Aktion. Friedrich räumt ein: „Die Arbeit ist schwerer als gedacht...“ Vor allem die seelische Belastung sei enorm. Wer täglich mit den verschiedenen Schicksalsschlägen und schwierigen Lebensumständen der Betreuten befasst ist, „der muss schon sehr gute Nerven haben, um das zu ertragen“. Umso beeindruckender sei die offene und freundliche Art der Schwestern.
Sie haben vielleicht genau das verinnerlicht, wozu eine Geschichte mahnt, die nach der Pflegetour im Innern der Station von Gisela Maurer vorgetragen wird. Die Bereichsleitung für die Tagespflege spricht von der brennenden Kerze als Allegorie auf Menschsein und Glück. Wer Freude weitergibt, empfängt sie umso mehr, wer Licht für andere ist, wird selber hell. So die Botschaft, der andächtig im Stuhlkreis gelauscht wird. Auch von Rudi Meyer, der sich mit 77 Jahren unter anderem durch regelmäßige Zeitungslektüre geistig fit hält. Gerne dreht er mit der Sozialstation-Geschäftsführerin Marianne Werzinger, Pflegedienstleitung Monika Schiebel und natürlich dem Bischof eine Runde durch die Station. Der gesteht auf Nachfrage, dass er wohl in seiner Funktion als Landesbischof „die Pflege nicht so im Blick gehabt“ habe. Andere Herausforderungen habe es hier zu bewältigen gegeben.
In seinen letzten Jahren als Dorfpfarrer aber sei er mit dem Thema wieder stärker in Berührung gekommen. Er sei voller Anerkennung für diejenigen, die sich darum mühen, den Senioren Lebensqualität und ein Stück Heimat zu vermitteln. Denn beides ist nicht selbstverständlich, wie das aktuelle Weltgeschehen weiß und wie es es auch ein Kunstwerk vermittelt, das Friedrich auf der Biennale gesehen hat. Fahrende Bäume, die mitsamt Wurzelwerk ihre Runden drehen. Und in eine andere Welt verpflanzt sind. Nicht ganz unähnlich der Situation der Senioren, die den hohen Gast schließlich mit einem gemeinsamen Lied verabschieden.
Jürgen Leykamm
Bereichsleiterin Gisela Maurer (links) und Geschäftsführerin Marianne Werzinger nehmen zwei Herren gerne in ihre Mitte: den ehemaligen Landesbischof Johannes Friedrich und den Senior Rudi Meyer, dem der Bischof auf seiner Runde durch die Sozialstation hilft. Foto: Jürgen Leykamm